Alles eine Frage der Einstellung (hahahaha!)

74113_546333152043492_759987553_nWenn ich meine Handtasche verliere, also alles, was ich zum Leben brauche, Geld, Identität, Kreditkarte – dann reagieren meine Freunde allerhöchstens mit einem Schulterzucken. Nicht, dass ich mir die herzlosesten Menschen auf dem Planeten in mein Adressbuch geladen hätte, nein – sie haben es einfach schon zu oft gehört. Unterdessen rege ich mich selber nicht mehr auf und auch die freundliche Sachbearbeiterin an der Kreditkartensperrstelle meint nur, wie ein routinierter Kellner: „Wie immer, Madame?“ Allerdings ist mir das schon länger nicht mehr passiert. Meine frühere Therapeutin deutete die Handtasche als Symbol der Weiblichkeit – von daher ist es sicher ein gutes Zeichen, dass sie mir nicht mehr ganz so oft abhanden kommt. Dafür verliere ich zuverlässig und symbolfrei jedes angefangene Manuskript mindestens einmal. (Dirk, bitte nicht weiterlesen!)

Mein Vater, Friede seiner Seele, verlor einmal ein Romanmanuskript, weil sich der Hamster meines ältesten Bruders durch den Papierstapel gefressen hatte. (Happy Birthday, Manu!) Ein andermal öffnete jemand auf einem Ferienreise am Strassenrand den Kofferraum, ein Windstoss fuhr herein und packte das Manuskript. Lose Blätter wirbelten durch die öde Landschaft, denen wir dann verzweifelt nachhechteten. Beide Ereignisse waren von Verzweiflung, Tränen und Gebrüll begleitet. Die Frage, warum es keine Kopie gab, wagte damals aus Gründen der Selbsterhaltung niemand zu stellen. Heute, in Zeiten der Speicherwolken, gibt es keine Entschuldigung mehr.
Oder ist Eitelkeit eine Entschuldigung? Es ist lange her, dass mich eine Schülerin neckte, ich sei eine Schriftstellerin der achtziger Jahre – nur weil ich ohne ein spezielles Romanschreibprogramm arbeitete. Diese Bemerkung zitierte ich in „Möchtegern“, doch damit war sie nicht vergessen. Sie nagte an mir: Ob ich nicht doch etwas verpasste? Also lud ich mir eines dieser Programme herunter, das bestimmt sehr viel mehr kann, als ich von ihm verlangte. Ich nutzte es eigentlich nur, um meine täglichen Schreibschübe in ordentlichen kleinen Schubladen zu versorgen und mit bunten Etiketten zu bezeichnen. Das machte mir grossen Spass. Ich war bereit, die achtziger Jahre hinter mir zu lassen. Dann fuhr ich nach Amerika und nahm nur meinen federleichten Reiselabtop mit, den ich auch schon zweimal verloren habe (inklusive Inhalt). Für den Reisecomputer musste ich mir das Programm noch einmal neu herunterladen, was mir die Freude an den bunten Etiketten beinahe vergällte. Das war in den achtziger Jahren doch noch einfacher gewesen!

Als ich nachhause kam, verweigerte mir mein Heimcomputer das Abspielen neuer Fernsehserien – wenn ich ehrlich bin, käme ich mit einer Schreibmaschine und einem Fernsehgerät bestens über die Runden. Item, anyway, ich klickte auf das Symbol eines Scheibenwischers, der mir vorschlug, alles, was ich länger als einen Monat nicht geöffnet hatte, zu entfernen, um so Platz für viele neue Folgen zu schaffen. „Nur zu“, sagte ich und holte mir ein Glas Wein, gleich würde ich es mir gemütlich machen. Dann fiel mir ein, dass ich genau einen Monat und einen Tag lang weggewesen war.

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Leser-Interaktionen

3 Kommentare

Kommentare

  1. Vera Dunst meint

    Ich lese grad dein Buch „Das wahre Leben“ in 24 Std. durch, mir bleiben noch 2. Es berührt mich auf allen Ebenen, emotional, mental und psychisch. Es ist lange her, dass ich so intensiv gelesen habe. Ich glaube, dass ALLES eine Frage der Einstellung ist. Vor allem sich selbst gegenüber. Mir gefällt deine Einstellung dir selbst gegenüber, sie ist humorvoll und tiefgründig und spiegelt sich in deinen Zeilen.
    Danke, dass du schreibst, was du schreibst! ein herzliches Namasthe aus Örlike
    V.D.

    • Mr. Hans Alfred meint

      ziemlich genau 2 Jahre sind es her seit ich zu meiner Verblüffung einen Kommentar einer V.D. von Oerlike zum Bild zum Buch DAS WAHRE LEBEN fand. Die Erinnerungs-Funktion von Facebook hatte mich daran erinnert, samt allen Kommentaren und Links die alle noch funktionieren. Was nicht funktioniert ist mein Gedächtnis, denn ich weiss nicht mehr was ich damals mit dem Namen „Vera Dunst“ gemacht hatte. Heute, 2 Jahre später darf ich wenigstens Dankeschön schreiben, großes DANKESCHÖN ! Und ein gutes neues Jahr.

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