Die Liebe siegt. Schon wieder.

Wenigstens am Schreibtisch. Mit klopfendem Herzen schreibe ich meine erste richtig schöne Liebesgeschichte. Dante und Nevada: Alles kommt gut. Und, Achtung, Spoiler: Niemand stirbt.

Dafür habe ich immer mehr das Gefühl, zwei Geschichten zu schreiben. Die von Erika und die von Nevada. Die Familiensaga und die Liebesgeschichte. Sie treiben auseinander, berühren sich nur noch sporadisch. Muss ich diese Überkreuzungen mit Gewalt herbeischreiben? Müsste ich im Gegenteil eine der beiden Geschichten radikal kürzen, müsste ich mich für eine entscheiden? Wird mir der erste Lektor, beziehungsweise die Lektorin sagen:“Du hast aus Versehen zwei Bücher geschrieben?“

Einmal ist mir das passiert. Bei „Artischockenherz“, glaube ich. Eine Erstleserin hat gesagt: „Dieser ganze Handlungsstrang gehört nicht hierher. Das ist eine eigene Geschichte. Die kannst du für sich überarbeiten und veröffentlichen.“ Ich habe es nie getan. Schade eigentlich. Ich weiss nicht einmal, ob ich diese alten Manuskripte noch habe. Die Technik ist nicht so unfehlbar, so mächtig, wie sie uns verkauft wurde. Mein gesamtes Frühwerk ist auf fingerdicken quadratischen Scheiben gespeichert, zu denen es keinen Zugang mehr gibt.

Dafür wird „Die Purzfraueninsel“ neu aufgelegt. Darauf freue ich mich. Ich erinnere mich, wie ich kurz nach Erscheinen meines ersten Buches, „Gebrochene Herzen“, in New Orleans vor einer Kartenleserin sass. „Wird mein Buch ein Erfolg?“, fragte ich sie. „Nicht wirklich“, antwortete sie. „Aber das zweite dann. Das zweite wird sogar übersetzt und verfilmt werden!“

So unwahrscheinlich mir das damals erschien, genau so kam es. Dass auch dieses zweite Buch keinen „richtigen“ Verlag finden und mit abgrundtiefer Verachtung besprochen werden würde, dass die Verfilmung mit einer Rechtsklage und Verurteilung einhergehen und mit einer Geldstrafe enden würde, die ich noch jahrelang abstotterte, das hat die Wahrsagerin wohlweislich verschwiegen. Recht behalten hat sie trotzdem.

Warum „Die Putzfraueninsel“  so gern gelesen wird, kann ich nicht erklären. Die Hauptfigur ist sperrig und sprunghaft und hat im Gegensatz zum Grafen von Monte Christo kein edles Motiv für ihren Rachefeldzug. „Die haben alles und ich habe nichts“, genügt nicht. Das weiss sie selber, und so rechtfertigt sie ihr Tun kurzerhand mit dem Leid, das der alten Nelly angetan wurde. Eine alte Frau wird misshandelt, ein latent homosexueller Familienvater hat sein coming out und  am Ende brennt die 28jährige Hauptfigur mit einem 13jährigen Jungen durch – jetzt fällt es mir ein, ich habe durchaus schon einmal eine schöne Liebesgeschichte geschrieben! Die von Irma und Eugen. Und wenn obige Zusammenfassung daran zweifeln liesse: Ich liebe Irma. Ich kenne sie.

Doch jeder Agent, Lektor oder Verleger, der diese Zusammenfassung liest, wird den Kopf schütteln und sagen: „Unmöglich. So was macht der Leser nicht mit!“

„Die Purzfraueninsel“ ist deshalb nicht nur bis heute mein erfolgreichstes Buch, sie ist auch das überzeugendste Argument in meinen Kursen. Wenn immer ich nach Rezepten gefragt, auf Kompromisse angesprochen werde, wenn immer ich den Satz höre „Ja, aber wenn man seine Bücher auch verkaufen will, muss man doch….“ dann halte ich sie hoch, meine sperrige Heldin auf ihrem nicht nachvollziehbaren Kreuzzug.

Es gibt Dinge, die kann man nicht erklären. Nur schreiben.

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Leser-Interaktionen

9 Kommentare

Kommentare

  1. Hans Alfred Löffler meint

    Die Putzfraueninsel: 24. April 2010 22:23 Uhr, d.h. fast 20 Jahre nach dem Erscheinungsdatum bei wunderschönem Wetter hatte ich dieses Buch gelesen; fast NonStop … (mit Rückenschmerzen zwar, zum Glück auch, denn SO EINE WUNDERBARE GESCHICHTE könnte ich niemals mit Unterbrüchen lesen). Und jetzt freue ich mich auf Nevada und Dante – die Angst das tapfere Yoga-Lehrerin sterben würde hattest Du mir genommen – dankeschön.

  2. Barbara meint

    Beim lesbarmachen der Texte auf „fingerdicken, quadratischen scheiben“ kann dir bestimmt jemand helfen, wahrscheinlich sogar gratis. Ich weiss nicht genau welche Bibliothek dafür in der Schweiz zuständig ist, aber in anderen Ländern sind die Bibliotheken dafür zuständig nicht nur die Maschinen sondern auch die programme aufzubewahren.
    Vielleicht passt es dir eigentlich besser dass die alten texte verschachtelt da liegen – geschrieben habe ich trotztem, weil mich der Beruf desjenigen, der die Machinen und Programme aufbewahrt, fasziniert.

  3. Gise Kayser-Gantner meint

    Das hört sich doch so gut an, Milena! Ich bin gespannt auf das neue Buch mit seinen Verzweigungen. Gibt es schon Aussichten auf den Erscheinungstermin?

    Verstrickt im tiefen „Kampf“ mit der zweiten Version,
    kurz aufgetaucht, um Deine Kolumne zu lesen,
    tauche ich gleich wieder zurück,
    um Ingas aalglattes Dasein aufzurauen,
    Musenküsse schickt
    Gise

  4. Sofasophia meint

    und das zeigt auch, dass sich eben nicht alles mit marketing und so weiter planen und „machen“ lässt. ich freue mich sehr, dass die putzfraueninsel wieder neu verlegt wird.
    und über nevadas neue liebe freue ich mich auch sehr!

  5. Karin meint

    Die Putzfraueninsel wird neu aufgelegt? Großartig! Mein Exemplar ist recht zerlesen, da Irma eine meiner liebsten Figuren ist. Besonders ihre Art zu putzen hat mir immer gefallen.
    Als ich so begann zu schreiben, dass ich auch daran dachte zu veröffentlichen, beschäftigte ich mich auch viel mit dem „was der/die LeserIn will“. Dann las ich Paul Auster und stellte fest, dass der mit allem brach, was angeblich unerlässlich war. Von da an, hat mich dieses angebliche „so muss es sein“ nicht mehr interessiert.
    Na ja, einen Verlag habe ich nicht gefunden – ehrlicher Weise, auch nicht ernsthaft gesucht – sondern gleich eine Alternative gefunden.
    Alles Liebe Karin

    • Karin meint

      Kannst Du gerne. :-)
      Ich habe mit Freunden und Freundinnen einen Autorenverlag gegründet. Im November kommen wir mit 4 Büchern und einem Hörbuch heraus, welche wir übers Internet und über den lokalen Buchhandel vertreiben.
      Die Idee ist über unseren Literatur Stammtisch entstanden, der sich einmal im Monat innerhalb des Literarischen Salons trifft. Da sassen so einige die Schreiben zusammen. Durch die Lesungen im Literarischen Salon wussten wir, was der oder die Einzelne so schreibt und da wir unsere Arbeiten gegenseitig schätzten, schlossen wir uns zusammen und so entstand der Medusa Literatur Verlag.
      Alles Liebe Karin

    • BurgerTrice meint

      Bravo Milena ! Es ist doch alles andere als einfach sich selber schreibend so unter die Lupe zu nehmen. Ich habe nie an dir gezweifelt, dass du irgendwie schaffst, was dir wirklich wichtig ist. Das mit der Selbstüberlistung gehört natürlich mit zum Programm.
      Wenn wir ehrlich sind, sind wir eigentlich dauernd damit beschäftigt, und das kann atemberaubend sein, — und wir starren das Zückerchen an, das uns das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt ……
      BisousBéa

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