Erziehungsversuch

Danke allen Kommentierenden für die Bestätigung: Wir sind nicht allein. Am Schreibtisch. Mit unseren Affen. Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber mich tröstet das.

Bisher dachte ich ja, ein Set von Affen wird automatisch zum Schreiben mitgeliefert – stimmt nicht. Sie gehören offenbar zur Grundausstattung jedes denkenden Menschen. OK. Gut. Dann halt. Loswerden können wir sie nicht, wollen wir sie vielleicht auch nicht. Wer weiss, vielleicht sind sie uns manchmal auch von Nutzen. Ohne diese nagenden Zweifel – da ist noch mehr – das wollte ich anders sagen – wie hiess das Wort noch mal? – die uns an den Schreibtisch zurücktreiben, auch wenn draussen die Sonne scheint, ohne diese Zweifel würde ich mich zu schnell zufrieden geben. Diese Zweifel machen mich besser. Machen mich so gut, wie ich in diesem Moment sein kann. Nicht so gut, wie ich sein möchte!

Diese Zweifel sind sozusagen meine „trainierten“ Affen. Ich verlasse mich auf sie. Mehr noch als die kreischende Ablenkung meiner „ungezogenen“ Affen fürchte ich die trügerische Sicherheit, die in ihrer Abwesenheit entsteht. Es gibt sie, diese winzigen Momente, in denen ich am Schreibtisch sitze und meine, zu wissen, was ich tue. Wenn mir das bewusst wird, halte ich sofort inne. Klappe den Computer zu, stehe auf, mache etwas anderes. Wenn ich später an den Schreibtisch zurückkehre, bestätigt sich ausnahmslos: Das in der scheinbaren Sicherheit Geschriebene ist prätentiöse Scheisse. (Sorry.)

Diese Momente sind übrigens seltener, seit ich hauptsächlich früh morgens und deshalb nüchtern schreibe, was zum Glück für mich seit der Geburt meines ersten Kindes, also seit 25 Jahren so ist. Dies ist nur als Erfahrungswert, nicht als moralischer Grundsatz! Denn andererseits verzehrte ich einmal am Schreibtisch ein köstliches Brownie, dass eben dieses Kind gebacken hatte (als es kein Kind mehr war, logisch!) und verbrachte die folgenden vier Stunden in einem grossartigen kreativen Rausch, von dem nichts! keine Zeile! am nächsten Morgen noch Bestand hatte. Aber schön war’s! Vor allem, da ich keine Ahnung hatte, was in dem Brownie war. Und so glaubte ich vier selige Stunden lang tatsächlich, meine zickige alte Muse hätte mich endlich doch in ihre Arme geschlossen.

Es zählt nur, was wir schreiben. Nicht, was wir denken, während wir schreiben.

In der Zwischenzeit richten die „ungezogenen“ Affen nicht wieder gut zu machenden Schaden an. Wie viele Geschichten sind nie geschrieben worden, weil diese Rüpel keinen ersten Satz gelten lassen wollten? Wieviele Geschichten sind unfertig in der sprichwörtlichen Schublade verschwunden  (in Wirklichkeit wohl eher unwiderruflich gelöscht worden), nur weil der Schreibende auf einen vorlauten Affen hörte, der kreischte: „Wer will denn so was lesen, wen interessiert’s?“

Hätte er sich am nächsten Tag wieder hingesetzt, der Schreibende, hätten die Affen vielleicht Ruhe gegeben. Vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall hätten sie sich etwas anderes einfallen lassen. Denn sie haben eine unglaublich kurze Aufmerksamkeitsspanne. Sie langweilen sich schnell, und wenn man sie ignoriert, verziehen sie sich schmollend in eine Ecke, und man hat eine halbe Stunde Ruhe, manchmal länger.

In diesem Zusammenhang: Gestern habe ich mich an einem Gartentisch mit einem Schriftsteller unterhalten, der seit 12 Jahren an einem Roman arbeitet, gerade an der 22. Überarbeitung sitzt. Die auch die letzte sein soll. Das hat er jedenfalls gesagt. Ich bin ganz sicher, dass es ein wunderbares Buch wird. Doch was ist mit dem Roman, den er vor 12 Jahren geschrieben hätte? Geschrieben hat?

Den werde ich nie lesen können. Scheiss Affen! (Sorry again.)

Das einzige Mittel, das ich kenne, um die Affen im Zaum zu halten, ist jeden Tag zu schreiben. Manchmal mit zusammengebissenen Zähnen. Vor allem zu Beginn der täglichen Schreibzeit. Ich bleibe nicht unberührt von dem Geschwätz in meinem Kopf. Doch je länger ich schreibe, desto mehr wird es vom Schreiben in den Hintergrund gedrängt. An die Ränder meines Bewusstseins. Der Strom der Geschichte reisst mich mit, treibt mich aus dem Affenhaus heraus, lässt mich gar vergessen, dass es eines gibt. Das ist Erlösung.
Mehr weiss ich nicht.

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3 Kommentare

Kommentare

  1. Sofasophia meint

    „Es zählt nur, was wir schreiben. Nicht, was wir denken, während wir schreiben.“

    Es ist genau diese Zweigleisigkeit, die mich beim Schreiben oft fast durchdrehen lässt. Und wenn es uns gelingt, nur noch auf einer Spur zu gehen ( das, nur genau das zählt wirklich!) und nur noch Schreibende (nur noch Jätende, nur noch Übende, nur noch Gehende) zu sein, dann haben wir vielleicht (ein wenig) Erlösung gefunden. Nicht festhaltbare. Aber im Moment geht nicht mehr. Und das darf einfach genügen.

    Liebe Milena, Deine Texte sind für mich grad sehr nährend und heilsam. Und inspirierend.
    Danke für deine Transparenz!

    Liebe Grüsse
    Sofasophia

    • BurgerTrice meint

      Ich kenne das auch, schreibend durch den Tag, durchs Leben zu gehen. Nur habe ich den Vorteil, ich muss mich nicht an den Laptop setzen. Nicht immer, — zeitweise aber tue ich es aber doch. Manchmal habe ich mir das sogar verboten, weil mich das Tippen zu sehr belastet — diese Fülle von Adjektiven und selbsterfundenen Wörtern, in die ich verliebt bin — und die ewigen Tippfehler, die mich wieder aus dem schönen Rhythmus des Denkens und Fantasierens herausreissen. Es ist manchmal so anstrengend und auch frustrierend für mich. Es ist viel schöner, die Geschichte oder das „Zubeschreibenwollende“, die komischen Beobachtungen und hundert Hinterfragungen einfach dahinplätschern zu lassen. Doch ich weiss, einen solchen Luxus können sich die wenigsten, und die Begabten und schreibend Getriebenen, schon gar nicht leisten, denn schlussendlich muss man ja auch die Miete bezahlen, und wenn man mit dem Scheiben etwas Geld verdienen kann, ist das ja auch sehr angenehm — abgesehen vom Erfolg, den man erntet.
      Ich denke, in Gedanken habe ich schon manches Buch ….. oder Essay usw. geschrieben, einfach so ins Nichts hinaus ….. Aber ich kann euch ehrlich sagen, glücklich war ich meistens dabei. Im Zug oder im Sitz der Sesselbahn, beim Bummel entlang der Aare, allein im Dunkeln eines Hotelzimmers, hat mich das Schreiben in meinem Kopf immer beglückt und bereichert. Nennt man das ungenutzte oder verschwendete Zeit ? Manchmal habe ich das schon so empfunden, wenn mir gerade etwas wirklich Originelles eingefallen war. Aber letztlich waren diese Geschichten für mich einfach simples Gegenwartsglück ( schon als Kind ). — Trotzdem warte ich eigentlich immer auf den Moment, wo etwas seriös Handgeschriebenes daraus werden könnte, etwas Geschriebenes, Schwarz auf Weiss, das mir wirklich Spass machen würde. Bis jetzt gab es nur wenig Bruchstückhaftes, das mich überzeugt hat, und ich auch gerne zum öffentlichen Lesen preiszugeben den Mut gehabt hätte.
      Deshalb bin ich nun eine, die das laptopfreie Schreiben empfehlen kann, weil ich es auch als Glück empfinden kann. — Doch das ist wahrscheinlich eine Geschichte, die nicht jedermanns *Cup of The* ist ……

    • Regula Haus-Horlacher meint

      Weisst du noch die Schachteln, die du mal im Sinn hattest? Wenn ich mich recht erinnere wolltest du sie zusammen mit einer Künstlerin realisieren: Sie sollte die Schachteln gestalten und du wolltest die Schachteln dann mit deinen Texten füllen. Blatt um Blatt. Mir gefiel diese Idee damals sehr.

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