Es ist da!

images-1Und der Blog geht weiter. Anfang Mai habe ich mich von Euch verabschiedet: Das Manuskript, dessen Entstehung ich hier vom ersten Aufflackern einer Idee über den verpassten Abgabetermin und drei Überarbeitungen hin bis zur letzten Fahnenkorrektur dokumentiert hatte, war fertig. Fertig-fertig. Aus meinen Augen, aus meinen Händen. Zwei Tage nach meinem letzten Blogbeitrag stieg ich ins Flugzeug. Ich hatte mir drei Monate frei genommen. Naja, mit Unterbrüchen. Aber egal. Drei Monate lang wollte ich kreuz und quer durch Amerika fahren, ohne Plan. Und vor allem: Ohne Abgabetermin. Deshalb hatte ich alle Kolumnen im Voraus geschrieben, alle anderen Anfragen abgelehnt. Und selbst den verlockenden Auftrag, ein Buch über meine Reise zu schreiben, mir diese teilweise vofinanzieren zu lassen, hatte ich von mir gewiesen. Damit wäre die Route festgelegt gewesen, und Teile des Inhaltes auch („grossartiger Flug mit…..“). Ich war allein. Ich war unterwegs. Ich hatte ein altes, graues Notizbuch dabei und einen Bleistift. Ich schrieb – nichts. Nicht einma email, zum Ärger und zur Besorgnis meiner Freundinnen. Ich öffnete das Buch ein, zweimal um eine Strichliste anzulegen, eine Telefonnummer zu notieren, einen halben Gedanken. Dann klappte ich es wieder zu. Ich  hatte kein Bedürfnis, den frisch gespitzten Bleistift in die Hand zu nehmen, etwas zu notieren. Nie.

Seltsam, dachte ich. Bleibt das jetzt so? Und wenn ja, was bedeutet das?

Das einzige, was ich sicher weiss ist: Ich bin jemand der schreibt. Jeden Tag. Mit Auftrag oder ohne. Nur wenn ich schreibe, bin ich. Drei Monate lang war ich nicht.

Gegen Ende der Reise erreichte mich eine panische mail von meinem Kolumnen-Redaktor: Wir hatten uns verrechnet. Ich musste notfallmässig einen Text abliefern. Wegen der Zeitverschiebung eigentlich sofort. Ich nahm meinen Bleistift hervor – er musste nach fast drei Monaten noch nicht nachgespitzt werden. Und brach den Bann. All das Diffuse, was in den letzten Wochen in mir gemodert und gewuchert und gegärt hatte, suchte sich Worte. Sätze. Seiten.

Ich kam zurück und stürzte mich in die Arbeit. Plötzlich war es wieder da: das Schreiben, und das Buch. Das bereits geschriebene Buch. Das ich unterwegs beinahe vergessen hätte. Wenn ich heimlich gehofft hatte, dass dieser Blog gewisse Fragen von gewissen Journalistinnen überflüssig machen würde, hatte ich mich getäuscht. Um auch einmal Fragen zu beantworten, die mir noch niemand gestellt hat, bat ich meine Freundin, die Schriftstellerin Katharina Faber, meine Buchpremiere zu moderieren. Und obwohl wir uns seit über siebzehn Jahre kennen und viele, viele  Nächte lang das Schreiben und das Leben diskutiert haben, überraschte sie mich so, dass mir ein-, zweimal der Mund offen stehen blieb. Das Scheinwerferlicht brannte, die Wimperntusche lief mir in die Augen, das Publikum wartete gespannt. Ich schaute nach oben und zur Seite, rundherum war es schwarz, keine Antworten hingen in der Luft. Ich dachte über Dinge nach, über die ich noch nie nachgedacht hatte. In Echtzeit und in der Öffentlichkeit. Und kam zu keinem Schluss. „Das…. weiss ich nicht! Keine Ahnung!“ beantwortete ich die Fragen, die ich noch nie gehört hatte. Interessanterweise bestätigte mir das Publikum später, das sei der beste Moment gewesen, dieses Eingeständnis: „Keine Ahnung!“

Und das bleibt auch so. Keine Ahnung, wie es weitergeht. Keine Ahnung, was als nächstes kommt. Ich weiss nur, dass es weitergeht. Und dass ich euch gern weiterhin über meine Schulter schauen lasse.

Nach dem Buch ist vor dem Buch.

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5 Kommentare

Kommentare

  1. Regula Horlacher meint

    @Milena: Wie schön, dass du wieder zurück bist! Und dass es „Das wahre Leben“ gibt. Und dass der Blog weitergeht :-)

    Keine Ahnung, was als nächstes kommt, schreibst du.
    Ein Leben nach dem wahren Leben. Gibt es das überhaupt? Jetzt, wo diese Lucy-Liebesgeschichte gut ausgegangen ist??
    Hm. Aber ist sie auch wirklich gut ausgegangen? Nüchtern betrachtet: Die Tage von Nevada und Dante sind gezählt. Beide sind lebensgefährlich krank. Auch wenn Dr. Mizrahi Dante den Tumor tatsächlich absaugen kann, wie er behauptet, wer sagt, dass Dante nicht wieder erkrankt? Schliesslich war es doch noch jedes Mal so. Seit seinem vierten Lebensjahr –
    Hm. Schwierig. Sehr schwierig … Doch halt: Nevada und Dante sind ja Buchfiguren! Sie werden niemals sterben. Sie sind unsterblich. Jedes Mal, wenn irgendjemand die letzte Seite von „Das wahre Leben“ aufschlägt, wird da stehen: „Lucy, warte auf mich, ich komme zurück.“ So ist das.
    Ausserdem glaube ich, dass Liebe heilt. Das steht schon in der Bibel: Steh auf, nimm deine Matte und geh nach Hause.

    Aber eben: Kaum ist etwas glücklich unter Dach und Fach, sehnt man sich schon nach dem nächsten –
    Überall hin folgen möchte ich dieser Erika! Ich möchte wissen, ob sie ihre Fabrik retten wird. Raus mit dir Max, raus, diese Fabrik gehört mir! Und ich möchte wissen, wie Dr. Lukas mit Vornamen heisst. Ein wahrer Cliff-Hänger, diese Erika!
    Ein Bild drängt sich mir auf: Eine grosse schlanke Frau geht vor mir her. Ich weiss, dass es Erika ist. Nein, natürlich weiss ich es nicht, ich möchte nur gern, dass sie es ist –
    Ihre Fussabdrücke sind deutlich sichtbar. Sobald sie den Fuss hebt, färbt sich der Abdruck rot. Ein unheimliches Bild. Rot – da denkt man doch unweigerlich an Blut. Dabei sieht es gar nicht aus wie Blut. Mehr so, als würde in einem Schwarzweissfilm plötzlich etwas rot markiert. Das ist ja heutzutage möglich. Mit Blut hat das gar nichts zu tun …

    „He, was denkst du dir eigentlich!“ Grob reisst mich mein Verstand aus meiner Träumerei. „Milena schreibt ein BUCH! Keine Geschichte auf Bestellung!!“
    Hm. Ja, natürlich. Wie unbescheiden von mir. Die Frau, von der ich glaube, dass es Erika ist, geht langsam aus dem Bild. Ihr Kopf verschwindet, ihre Schultern, ihr Rücken. Das Rot in ihren Fussabdrücken verblasst.
    Nein. Ich will nicht, dass sie geht. Sie ist mir ans Herz gewachsen. Ich halte den Film an, spule ihn zurück, bis die Frau wieder da ist.
    Ja, ich weiss, es ist unvernünftig. Ich habe in letzter Zeit zu viele Filme auf Youtube angeschaut. Das ist wohl der Grund. Nun glaube ich, man könne das wahre Leben auch mit einem Mausklick nach Gutdünken anhalten, zurückspulen, weiterlaufen lassen …
    Hm. Schwierig. Aber ich glaube, ich weiss was: Ich wünsche es mir einfach. Genau, das ist die Idee! Ich wünsche es mir.

    Keine Ahnung, wie es weiter geht. Ich weiss nur, dass es weitergeht, schreibst du, Milena. Das ist tröstlich.
    Liebe Grüsse
    Regula

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