Even Cowgirls get the Blues.

Jane Fonda in Nichts geht mir mehr auf die Nerven als jammernde Künstler, speziell Schriftsteller. Wir haben die schönste Arbeit der Welt und keinen Grund uns zu beklagen, nie. Trotzdem tue ich es heute, hier, fünf Minuten lang. Schaut weg, schaltet um, ich bin gleich wieder da. Aber erlaubt mir diesen kurzen Einbruch: Keinen Monat hat sie angehalten, die gute Laune, die ich trotz Schneegestöber und kaputten Heizrohren aus Santa Fe zurückgebracht habe! Schon sitze ich wieder hier und heule. Erst in einem vollbesetzten Restaurant, nach der Theaterprobe. Beim Improvisieren zum Thema „Beruf versus Liebe“ war es aus mir herausgebrochen: „Ich mag einfach nicht mehr! Ich arbeite wie ein Tier und verdiene immer weniger, andere sind in meinem Alter längst etabliert! Was heisst etabliert, PENSIONIERT!“ Ich erschrecke über mich selber: Das Jahr hat kaum begonnen, und ich kann schon nicht mehr? Am nächsten Abend sitze ich einer Freundin am Tisch und heule schon wieder. „Warum zum Teufel verdienst du denn nicht mehr?“ fragt sie. „Warum verkaufst du nicht mehr Bücher, warum bekommst du keine Fördergelder, keine Preise, warum werden deine Bücher nicht mehr übersetzt, warum sehe ich keine anzeigen für deine Bücher, warum…“ Bis ich sie anflehe, still zu sein. „Weiss ich doch nicht!“, rufe ich. „Was soll ich denn tun?“

Seit fünfundzwanzig Jahre schreibe ich, veröffentliche ich. Und ich bin dankbar dafür. Dankbar, dass ich die Möglichkeit dazu habe. Dass es mich nach all den Jahren noch gibt.   Aber es ist nicht leichter geworden. Nein, ich habe keine Unterstützung, keine Staatstelle, ich bekommen auch keinen Vorschuss, von dem ich ein halbes Jahr leben könnte – abgesehen davon, dass man in einem halben Jahr auch kein Buch schreibt. Das Privileg, ein Buch zu schreiben, verdiene ich mir mit Lesungen, Kolumnen, anderen Aufträgen und Kursen. Das heisst, damit ich es mir finanziell leisten kann, ein Buch zu schreiben, verkaufe ich die Zeit, die ich dafür bräuchte. Ein Kraftakt, für den mir die Kraft fehlt.

Wie machen das andere? Meine Freundin weiss Bescheid, sie zählt die immer selben sieben Namen auf. Staatstellen, Preise, Unterstützungsbeiträge werden in einem kleinen und geschlossenen Kreis vergeben. Zu dem ich nicht gehöre, nie gehört habe. Früher war ich stolz darauf. Mich nicht anzubiedern, meinen Lebensunterhalt selber zu verdienen, sogar eine Familie zu ernähren mit meiner Schreibe. Heute wäre ich lieber weniger stolz und dafür auch weniger erschöpft, aber es ist zu spät, die Türen sind zu.

Vor ein paar Jahren hat mich ein einflussreicher Feuilletonist eingeladen, für seine Rotarierkollegen zu lesen. Er stellte dieselbe Frage: „Warum haben Sie eigentlich noch nie einen Preis bekommen?“ Und gab sich die Antwort gleich selber: „Sie sind zu fleissig. Fleiss wird nicht belohnt.“ Nicht mal in seinem Feuilleton, dachte ich. Meine Freundin sagt aber, es sei nicht mein Fleiss, der mich unterstützungsunwürdig mache, sondern das Etikett „Bestsellerautorin“, das an meinem Namen klebt. Die Moser, denke man, die hat’s doch nicht nötig!

Schön wär’s! Zusammengefaltet wie ein Taschentuch fahre ich nachhause, es ist noch früh. Andere machten sich erst zum Ausgehen bereit, ich muss am nächsten Morgen unterrichten. Eine ganze Zugfahrt lang tue ich mir leid.

Doch am nächsten Morgen treffen die Kursteilnehmer ein, wir setzen uns um den langen Tisch, Bleistifte kratzen, Geschichten spriessen aus dem gelben Papier und ranken sich um Stuhlbeine und Lampenschirme. Schon bin ich wieder glücklich. Mehr brauche ich nicht. Auch wenn ich an dem Tag selber nichts mehr schreibe, weiss ich es wieder: Eine Geschichte, die geschrieben werden will, findet ihren Weg aufs Papier. Die Umstände sind nich mehr als das: die Umstände. Und das war’s auch schon von der Selbstmitleidsfront, genug gejammert, zurück zum Tagesprogramm!

 

 

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Leser-Interaktionen

5 Kommentare

Kommentare

  1. Hans Alfred Löffler meint

    nur zwei Kommentare? allerdings kurz oder lang beide beachtlich, und da aller guten Dinge drei sind und schon am 14. Januar 2010 so waren, schreibe ich „Helfen Sie Milena“; oder besser lesen sie Milena, sie schrieb damals am Schluss ihres gebloggten Hilferufes in der Schweizer Familie:
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    Halten Sie mich jetzt bitte nicht für egozentrisch. Als ich aufwuchs, in einem Schweizer Dorf, war der Name Milena so selten, dass ich niemand korrigierte, wenn er mich Melanie nannte. Ich wünschte mir damals, ich hiesse Barbara.
    Oder Susanne. Trotzdem drehe ich mich jedes Mal um, wenn jemand Milena ruft, als gäbe es nur eine, nur mich. Heute mag ich meinen Namen. Er passt perfekt zu einer alten Tanzbärin.
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    Dieses „Helfen Sie Milena“ bekam etwa 6 oder 8 Kommentare, kurze und auch lange, in einem davon hiess es:
    „Sehr geehrte Frau Moser, Ihr Name gefällt mir und er passt zu Ihnen. Der Vorname ist speziell, wie Sie. War da etwa ein italienischer Einfluss bei Ihren Eltern? Der Nachname ist gut schweizerisch, normal, wie es sich gehört. Mit einem Tanzbären würde ich Milena aber nie in Verbindung bringen; schon eher mit einer Tänzerin. Sie tanzen mit Worten, machen aus Gedanken Geschichten, elegant, grazil und präzis.“
    Dabei kommt mir in den Sinn, dass wir am 9. Februar 2014 zur Urne gerufen werden, beim Wort „Urne“ kommt mir in den Sinn, dass die Frau Moser mit ihrem „speziellen“ Namen auch dazu, und neulich einen Blog verfasst hatte.
    Zurück zum Tagesprogramm, Du hast ja recht liebe Milena und auch liebe @ Regula welche mich mit einem Link an den Bodensee brachte obwohl sie lieber in Berlin schreiben wollte. Dankeschön!

  2. Rita meint

    Liebe Milena, hat doch gut getan, oder? Und wie immer aus dem Leben gegriffen, absolut nachvollziehbar, mit Worten eingekleidet, die ich selber gerne finden würde… Mach ja weiter!

  3. Regula Horlacher meint

    Selbstverständlich bin ich mit dir einverstanden, lieber Hans, man kann überall schreiben, und das tue ich auch: am Bodensee http://www.haus-regula.de/PDF/Regula%20Haus-Horlacher.pdf oder zu Hause am Schreibtisch oder wo auch immer. Darum geht es mir nicht. Mich um Stipendien und Atelieraufenthalte zu bewerben, gehört zu meinem Schriftstelleralltag. Mein nächster und einziger Auftrag ist ein Auftritt am 25. April in Bern. Milena hat ihn mir verschafft. Warum sie mich gefragt hat, weiss ich nicht, es hätte genauso gut jede andere ihrer Schülerinnen sein können. Vermutlich war ich – wie es so schön heisst – zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Im Literaturbetrieb ist man auf Hilfe angewiesen, die Angebote sind dünn gesät und viele möchten davon profitieren. Ein Stipendium oder ein Atelieraufenthalt wäre die einzige Möglichkeit, meine Auszeit, die ich mir im Moment zum Vorwärtskommen mit meinem zweiten Roman gewähre, noch etwas länger auszudehnen. Andernfalls muss ich mir spätestens im Herbst dieses Jahres wieder eine Brotarbeit suchen. Einen Achtzigprozentjob als Pflegehelferin in einem Altersheim. Ich wäre deshalb für einen Monat Paris oder Krems genauso dankbar wie für fünf Monate Dresden. Es spielt keine Rolle.

    Nur mit Berlin ist es anders.
    Wenn ich in Berlin bin, fühlt es sich an, als würde ich von einem treuen Freund geführt, der ein ähnliches Schicksal mit mir teilt. Ab und zu macht er sich selbst zum Spiegel, um mir zu zeigen, dass mich mein Eindruck nicht trügt.
    Ich habe die Karl-Marx-Allee nicht einfach so erwähnt, ich habe sie gemeint. Es hat etwas Gruseliges an sich, auf dieser, rein dem Prinzip „Zum Wohle des Menschen“ verpflichteten, völlig am Menschen vorbei auf dem Reissbrett geplanten, (menschenleeren) Prachtallee zu flanieren. Und genau dieses Gruselige macht es aus, dass ich mich in Berlin so wohl fühle wie an keinem anderen Ort. Weil es offengelegt ist. Weil es mir bestätigt, dass es so etwas Gruseliges tatsächlich gibt. Dass ich es mir nicht nur einbilde.
    Vieles – fast alles in meinem Leben – geschah zu meinem Wohl. Niemand wollte mir je etwas Böses. Gemüse muss man schliesslich auch essen, damit man gesund bleibt. Ob man es mag oder nicht. So ist das Leben nun mal.

    Ich habe nie gelernt, meinen Gefühlen zu glauben.
    In Berlin könnte ich es lernen.

    Selbstverständlich will auch ich niemandem einen Strick drehen. Nur eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte in der Berlin nicht vorkommt – und dennoch eine sehr wichtige Rolle spielt.

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