Fest der Liebe

Ich will ja immer eine Liebesgeschichte schreiben. Eine richtig schöne Liebesgeschichte. Die einem den Hals zuschnürt, die Tränen in die Augen presst. Eine, die man kommen sieht. Und die auch gut ausgeht, das meine ich ja, eine Liebesgeschichte, die gut ausgeht, zwei kommen zusammen, die zusammen besser sind als allein. So etwas. Schon Stutenbiss sollte so eine werden, so eine Liebesgeschichte. Das ist ja wohl gründlich misslungen. Antonin – der einzige Tote, den ich mir selber übelnehme. Aber was soll ich machen, ich habe keine Kontrolle über sie. Die Figuren. Oder den Verlauf der Geschichte. Der Tod dieses Cowboys hat mich selbst erschüttert. Dabei hab ich es gesehen, wie Belle sich über ihn beugt, wie sie ihn hochhebt, ins Haus trägt, Möchtegern sollte dann ein asketisches Buch werden, eine Ode an das Alleinsein. Dann tauchte der Schlagersänger auf und ich dachte: Jetzt! Jetzt kann ich endlich diese wahnsinnig schöne Liebesgeschichte schreiben, die ich in mir trage, ich weiss es. Und es hat ja auch so gut begonnen. Aber dann hat es doch wieder blutig geendet. Diesen Tod wenigstens hat mir niemand übelgenommen.

Trotzdem versuche ich es wieder. Nicht, dass in meinen wirren Notizen, die entweder mit Nevada oder mit Erika (Erika?? Wirklich??) überschrieben sind, schon etwas angedeutet wäre, das im Geringsten in diese Richtung weisen würde. Der junge Mann, der Nevadas Beine massiert? Er ist nicht wieder aufgetaucht. Es gibt keine Hinweise. Auf eine Liebesgeschichte. Es ist nur so ein Gefühl. Eine ganz vage Ahnung. Undurchsichtig wie der mittelländische Nebel vor meinem Fenster.

Es könnte etwas mit KIndern zu tun haben. Und wie Kinder geliebt werden sollten. Wie sie aufwachsen, wie sie lieben, wenn sie nicht so geliebt worden sind. Es könnte auch etwas ganz anderes sein.

Es könnte auch sein, dass wieder jemand umkommt.

Fröhliche Weihnachten!

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Leser-Interaktionen

8 Kommentare

Kommentare

  1. Milena Moser meint

    @ Anna: Great minds think alike (again!) genau den alten Schmachtschinken hab ich vor ein paar Tagen auch hervorgekramt und fand ihn sehr tröstlich – ebenso die Tatsache, dass mein Fernsehkonsum nicht allzusehr leidet unter meinem Schreibwahn…

    • Milena Moser meint

      @ Karin: Danke, ich freue mich. Hochstaplerinnen aller Erde, vereinigt euch – oder so. Mit oder ohne Tippfehler. Das wunderbare Bad befindet sich im weltweiten Netz…

  2. Regula Haus-Horlacher meint

    @Milena: Stutenbiss. Ich verneige mich vor diesem Buch. Du würdest vielleicht ein passendes Adjektiv finden, das man ihm beifügen könnte, um es zu beschreiben. Ich nicht. Grossartig trifft es nicht wirklich. Wunderbar aber auch nicht. Einzigartig vielleicht noch am ehesten, aber das ist zuwenig.
    Und so bleibe ich dabei: Ich verneige mich.

    Ja, Antonin –
    In meinem Pflegehelferinnenkurs habe ich gelernt, dass es ein Schmerzgedächtnis gibt. Das heisst, dass das Gehirn erfahrenen Schmerz speichert und diesen zum Schutz aktivieren kann, sobald man in eine ähnliche Situation gerät wie die, in der er einem zum ersten Mal zugefügt wurde. In etwa: „Schau, das kommt dabei heraus, wenn du dich auf so etwas einlässt! Du weisst es doch!“ Und dann beginnt er zu bohren, zu stechen, zu zwacken.
    Eine etwas paradoxe Art, Schutzfunktion wahrzunehmen, aber eigentlich nachvollziehbar: Der Mensch lernt nun mal durch Erfahrung.
    Dann kommt die Angst dazu. Was zu Schmerz führen könnte, soll vermieden werden. Alle Antennen werden ausgefahren, um gefährliche Situationen sofort zu erkennen, damit der Schmerzpegel möglichst tief gehalten werden kann. Der Erfolg davon ist wie bei allem menschlichen Lernen, das ernsthaft betrieben wird: Man bekommt Fertigkeit. Immer feinere Anzeichen werden bemerkt, immer früher tritt die Schutzfunktion in Kraft und irgendwann steht man unter Dauerschmerz.

    In einer Geschichte von mir wäre Antonin am ES KANN NICHT SEIN gestorben. Oder genauer: verblutet. Und der Grund, warum es mir so schwer fällt, die Rahel-Geschichte zu schreiben, obwohl sie doch auf Tagebuch-Eintragungen beruht, ist, dass ich nicht imstande bin, meinen Wahrnehmungen zu glauben: Es kann nicht sein. Ich habe das Gefühl, mir selbst – und den künftigen Lesern – während des Schreibens etwas vorzumachen, zu lügen. Natürlich schreibe ich trotzdem weiter, keine Sorge, aber das sind, nüchtern betrachtet, meine Schwierigkeiten, die mich durch diese Geschichte begleiten.

    Woran Antonin wirklich gestorben ist, weiss ich nicht. Ich habe den Stutenbiss nicht erfunden, nur gelesen. Zuerst mit höchstem Vergnügen, dann mit tiefstem Schaudern und jedes weitere Mal einfach mit grösster Hochachtung und Bewunderung.

    An Weihnachten darf man sich etwas wünschen. Ich wünsche mir, dass du eine Liebesgeschichte schreibst.
    Und uns allen ein frohes Fest!
    Herzlichst
    Regula

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