Moser n’existe pas

November ist der Monat mit den meisten Themen, unter anderem ist es der Monat, in dem man sich nicht rasiert: Movember oder Moustache growing month. Letzteres habe ich nicht in Angriff genommen. Dafür wollte ich 50’000 Worte schreiben. Dann hätte ich mir ein T-Shirt bestellen können, auf dem „Nanowrimo 2012 Winner“ steht. Ein „Nanowrimo Loser“ Shirt wird leider nicht angeboten. Ich würde es sofort anziehen.

Reg dich ab, der Monat ist noch nicht vorbei. Dieses Wochenende bestreite ich einen Yoga-und-Schreib-Workshop mit meiner Freundin Katchie Ananda. Es ist typisch für mein Leben, dass ich die tiefste Entspannung der letzten Wochen während der Arbeit erlebe, am Ende des Kurstages, Shavasana, ich stelle mich tot.

November ist auch der Monat, in dem keine Ausreden gelten. Das Folgende ist nur eine Geschichte. Letzte Woche habe ich ungewöhnlich viel Zeit, die ich eigentlich nicht hatte, in diversen Amststuben verbracht. Meine Scheidung ist Ende Oktober rechtskräftig geworden, und ich wollte unbedingt so schnell wie möglich den vorehelichen Namen wieder annehmen. Den „Doppelnamen ohne Bindestrich“ ablegen. Mein vorehelicher Name ist aber nicht mein lediger Name. Dies versuchte ich der Standesbeamtin zu erklären, an einem Schalter der mit Hochzeitsbilder von dankbaren Paaren dekoriert war. Hilfesuchend blickte ich immer wieder zu den strahlenden Gesichtern hinüber: Ihr versteht doch?, dachte ich. Den wilden Mut, mit dem man sich in die Ehe stürzt? Die Unvernunft?
„Moser ist eben drum der Name meines ersten Exmannes“, sagte ich. Wie das wieder klingt. Nach der Scheidung hatte ich den Namen behalten, unter dem ich schon zwei oder drei Bücher veröffentlicht hatte. 160 Franken, das weiss ich noch, musste ich dafür zahlen. Der Name Moser war mir damals schon vertrauter als mein Mädchenname. Er passte besser zu mir.

Ausserdem war er nicht mit meinem Schriftstellervater in Verbindung zu bringen. Und jeder verstand ihn und konnte ihn aussprechen. Keiner fragte nach, wie man Moser buchstabiert. Nur einmal, vor sehr langer Zeit, als ich mich um ein Interview mit dem damals von mir sehr verehrten französischen Schriftsteller Philippe Djian bemühte, fragte dieser zurück: „Comme le fusil?“ „Moser, wie das Gewehr?“ Zu nervös, die Frage zu verstehen, bejahte ich einfach, sicherheitshalber. Das Interview habe ich bekommen, dass er das Mausergewehr meinte, verstand ich erst viel später.

Moser wie das Gewehr. Um diesen Namen zu behalten, von seinem Doppel ohne Bindestich zu befreien, schleppte ich mich letzte Woche von der Einwohnerkontrolle zum Standesamt und von dort wieder zurück und noch mal nachhause und wieder zum Standesamt. Es war alles ein wenig kompliziert. Ich schaute die Bilder der glücklichen Paare an, hielt mich sozusagen an ihnen fest, so wie ich mich an der Liebesgeschichte festhalte, die ich schreibe. Es ist ein Märchen, das ich mir selber erzähle. Ich schreibe mich selber in eine Zustand zurück, in dem ich an die Liebe glaube. Andere gehen in eine Bar. Oder ins Internet.

Zwischendurch dachte ich manchmal, warum musst du das ausgerechnet jetzt erledigen, wo du sonst schon so viel zu tun hast, kann das nicht warten? Reicht das nicht nächstes Jahr? Aber irgendwann hatte ich alle Unterlagen zusammen und rief das Zivilstandsamt meiner Heimatgemeinde an. Die Angestellte gab mein Geburtstdatum in den Computer ein und rief: „Oh, Sie sind das! Ja, Sie, Frau Moser, jetzt haben sie aber grad noch Glück gehabt!“

„Glück?“

„Wenn Sie bis Anfang Jahr gwartete hätten, wäre es nicht mehre möglich gewesen. Dann hätten Sie Ihren Mädchennamen annehmen müssen, und Sie, das wäre ein Problem gewesen! Gut, man kann einen Künstlernamen bewilligen lassen, aber Sie, das ist nicht so einfach…“

Da fiel mir ein, was ein amerikanischer Autor namens Miguel oder Manuel Alvarez mal in einem Interview gesagt hat: „Wir wissen alle nicht, was wir tun, und genau deshalb können wir nicht damit aufhören.“

 

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7 Kommentare

Kommentare

  1. Corinne meint

    Ich komme gerade von fast vier Wochen Australien zurück und habe mir geschworen: Nie mehr im November in die Ferien! Jetzt hat mein Vater Geburtstag, dann meine Tochter und Weihnachten ist auch gleich. Nur nicht daran denken!
    Es gibt Monate, die sind einfach nicht zum Schreiben gemacht, weil einem der Alltag immer dazwischen funkt. Keine Ahnung, wieso gerade der November der Na-no-wri-mo ist, wo doch das der Monat ist, in dem einfach alles andere so viel Platz einnimmt. Ich habe eine ellenlange Pendenzenliste, und Schreiben steht momentan ganz zuunterst …

  2. Karin meint

    Ich liebe den Behörden Wahnsinn so sehr. Als wir heirateten sollten wir unbedingt eine Berufsbezeichnung angeben. Mir ist bis heute nicht klar warum. Ich habe Hexe angegeben, da musste erst geklärt werden, ob das ein Beruf sei. Es ist und steht so in unserer Heiratsurkunde.
    Diese Namenssache hat sich mir nie erschlossen. Warum zur Geierin kann mensch sich nicht selber einen aussuchen, sagen wir mit 21 und darf dann 2 x wechseln, wenn es nicht mehr passt?
    Alles Liebe Karin

  3. Regula Horlacher meint

    So ist es wohl.
    Und genau aus diesem Grund lerne ich jonglieren: Weil ich herausfinden will, was ich mache. Weil es so nicht weitergehen kann –
    Man darf Dinge nicht für einfach erklären, die komplex sind, hat der Leiter meines Kinästhetik-Kurses gesagt.
    Jonglieren ist ein Paradebeispiel für etwas, das einfach aussieht, in Wirklichkeit aber hochkomplex ist. Das weiss jeder, der es schon einmal ausprobiert hat. Dennoch ist es nicht unmöglich, es zu lernen. Eines der Ziele der Kinästhetik ist es, Bewegungsabläufe verständlich zu machen. Dazu muss ich mich selber beim Vollziehen eines Bewegungsablaufs beobachten oder noch besser, beobachten lassen. Man erkennt eigene ungünstige, das Leben erschwerende Bewegungsmuster selber schlecht, weil man an sie gewöhnt ist.
    Obwohl ich mich bisher noch nie ernsthaft mit Jonglieren befasst habe, bin ich nach einem eigenen, eingefahrenen Muster vorgegangen! Interessant, nicht?
    Ich habe die beiden Bälle nicht sehr hoch in die Luft geworfen. Ich habe die Hände nach ihnen ausgestreckt, um sie zu fangen, und wenn ich sah, dass ich sie nur mit Händeausstrecken nicht würde erwischen können, sprang ich ihnen nach. Damit war ich durchaus erfolgreich. Schon nach kurzer Zeit konnte ich recht lange mit meinen beiden Bällen jonglieren, ohne dass einer zu Boden fiel. Natürlich ist dieses Herumgehüpfe auf die Dauer sehr ermüdend und auch nicht wirklich sinnvoll, da keine Möglichkeit besteht einen dritten Ball einzubauen. Trotzdem schüttelte niemand den Kopf darüber! Ja, offenbar ist es unter Jongleuren nichts Ungewöhnliches, nur ein Anzeichen dafür, dass man nicht mehr an seine Grenzen geht, und es deshalb Zeit wird für einen nächsten Schritt. Es gibt sogar einen Namen für dieses „Stadium“: Sternengreifer. Wie schön! Ein „Sternengreifer“ bin ich also! Ich bin nicht überspannt, nicht hysterisch, nicht durchgedreht – ich bin nur ein „Sternengreifer“. Wenn auch mittlerweile ein ziemlich erschöpfter :-)
    Nun bekam ich also die Aufgabe, die beiden Bälle kurz nach einander an die Zimmerdecke zu werfen und zu Boden fallen zu lassen. Das übe ich jetzt jeden Abend während fünfzehn Minuten. Dabei habe ich festgestellt, dass es nicht nur darum geht, die Bälle fallen zu lassen, sondern auch in aller Ruhe zu warten, bis sie ausgerollt haben und sich erst dann langsam nach ihnen zu bücken. Das fällt mir immer noch unglaublich schwer!
    Dafür gelingt es mir inzwischen schon ab und zu, einen oder beide auf Bauchhöhe und ohne zu springen aufzufangen.
    Auch den Platz für den dritten Ball kenne ich bereits: Er sitzt auf dem Zeigefinger und wird von Daumen und Mittelfinger leicht festgehalten, während der zweite in der Handfläche liegt. Ob ich es jemals schaffen werde, ihn ins Spiel miteinzubeziehen? Im Moment kann ich mir das noch nicht wirklich vorstellen.

    Aber vielleicht … vielleicht genügt es ja auch, wenn ich nur mit zwei Bällen jonglieren kann. Wenn ich es lerne, sie in Bauchhöhe einzufangen, ohne ihnen hinterherzuspringen. Und ab und zu, wenn einer zu Boden fällt, friedlich zu warten, bis er ausgerollt hat. Und ihn dann, ganz langsam, aufzuheben.

    Vielleicht genügt das ja –

    Ach, es wäre wunderbar, wenn einmal etwas einfach genügen könnte!

    • Gise Kayser-Gantner meint

      … wie schön, Regula, von Dir die Jonglierei noch einmal vor Augen geführt zu bekommen. Hach, war das schön, damals, als ich als Achtjährige von Bällen so fasziniert war, dass ich es mit fünfen gleichzeitig schaffte – und vor allem alleine herausfand, dass man noch mehr Bälle fliegen lassen und fangen kann, wenn man sie nur hoch genug wirft – Sinnbild, wie Du so hinreißend erklärst, dass man sich von der „sphere of our sorrow“ lösen muss, da man sonst nirgendwo sein wird, weder „here nor tomorrow“ wie James Thurber sagt in der short story „The Moth and the Star“. Danke für die Erinnerung, besonders an einem Tag, der den Übergang vom viel zu warmen Wetter zum kommenden Kälteeinbruch mit Grau, Nebel und Nass markiert. Ich werde mich mal wieder der Achtjährigen in mir zuwenden mit ihren Höhenflügen … Gise

  4. Isabel meint

    @Milena: Ich bin ein pazifistischer Mensch. Wirklich. Und doch bergen beide Namen, mein Geburts- und der angeheiratete Name, genügend Zunder, um über alles hinwegzurollen, was im Weg steht. Der eine, der Gebrutsname, soll nach meinem Vater ein Geschenk des Vorfahren sein, der als Raubritter brandschanzend über die Au galoppierte, was auf mich immer ein wenig lächerlich wirkte. Obwohl viele diesen Namen schön fanden, habe ich ihn gerne mit der Hochzeit auf den zweiten Platz verbannt, wo er jetzt ein stilles Dasein fristet. Angeheiratet habe ich mir einen richtigen Tell-Namen, mit dem das Brandschanzen zumindest unterbunden werden kann, indem der Fokus auf Angenehmeres gerichtet werden kann – ganz nach Belieben. Jedenfalls würde ich mich sofort um ein Referendum bemühen, wenn man mir, sozusagen auf amtlichem Wege, einfach meinen Namen klauen wollte. Ein Nachname hilft doch irgendwie, ein Ausrufezeichen zu setzen (obwohl ich auch Vertreterinnen kenne, die sich am Telefon mit einem Fragezeichen hinter dem Nachnamen melden….). Und wenn ich mir jetzt vorstelle, dass sich dein MM sich wieder zu MP wandelt (was militaristisch klingt) – nicht auszudenken! MM ist dagegen prickelnd wie ein Sekt (und es gibt ja auch einen; es fehlt einfach das ‚um‘ dazwischen), schokoladig wie die Dinger aus der Tüte, moosig, mimosig, für Ecksteine prädistiniert …!

    Liebe Grüsse
    Isabel

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