something funny happened at yoga today

Warum ich in den Ferien um sechs Uhr aufstehe, um ins Yoga zu gehen, weiss ich auch nicht. Zufällig bin ich in einem Studio gelandet, dass die „Mysore Practice“ anbietet, mit der ich vor 12 Jahren angefangen habe, und die mir eigentlich zu anstrengend geworden ist. Doch je älter ich werde, desto weniger Yogalehrerinnen finde ich, denen ich gerne zuhöre. Die Mysore Practice ist nicht angeleitet, jeder übt für sich, in seinem Rhythmus, getragen vom Atem der Gruppe, der sanft durch den Raum rauscht. Ich geniesse das Eintauchen in den vertrauten Ablauf, das Versinken in den Atemrhythmus, mein Körper erinnert sich, mein Geist wird still.

Dann geht die Tür auf, und eine Frau kommt herein. Gerade, als ich versuche auf einem Bein zu stehen. Ich stolpere aus der Stellung und starre sie an. Was sich gar nicht gehört. Bei dieser Übungsreihe ist nicht nur jeder Atemzug vorgegeben, sondern auch die Blickrichtung, das Dristhi. Kann ich vergessen. Konzentratiuon futsch, Atem hin: Das ist die schlaflose Frau! Aus meinem Kopf! Ich erkenne sie sofort, obwohl ich sie bisher noch nie gesehen habe. In meinem Kopf. Ich nehme jedes Detail auf: die vollkommmen unpassenden neonfarbenen Shorts, die künstlich gebräunten Beine, die teure Blondfarbe ihrer Haare, die intellektuelle Hornbrille, die billigen, frenchlackierten Gelnägel – doch die Details sind nicht ausschlaggebend. Es ist diese seltsame Widersprüchlichkeit, diese Unsicherheit, die sie ausstrahlt. Ist sie reich, ist sie arm? Ist sie selbstsicher, unsicher? Sie lächelt mich entschuldigend an, sie weiss, dass ihr Eintreten mich aus der Pose geworfen hat. Sie fragt sich, ob sie jetzt lieber gleich wieder umkehren soll. Was tue ich hier, denkt sie. Das scheint ihr Lebensgefühl zu sein, jetzt gerade: Was tue ich hier. Sie erkennt ihr Leben nicht mehr, sie ist überall fehl am Platz. Ich glaube, sie hatte mal mehr Geld als jetzt. Sie ist aus ihrem Leben gefallen und irgendwie zwischen zwei Stühlen gelandet. Ich denke…

… ach verdammt! Verdammt!

Muss das jetzt sein? Wirklich? Hello, ich bin in den Ferien!

Mit schier übermenschlicher Überwindung reisse ich meinen Blick von ihr los und richte ihn auf meine Nasenspitze, wo er hingehört. Ich versuche, das Bein zu heben, es ist sinnlos. Gegenüber rollt sie ihre Matte aus, schaut unruhig hin und her und immer wieder zu mir. Als wüsste sie, was ich denke – dass ich denke, was sie denkt.

Careful or you’ll end up in my novel!

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5 Kommentare

Kommentare

  1. Christof Herzog meint

    Hoi Frau Moser
    Ich zitier Dich nun mal…“Doch je älter ich werde, desto weniger Yogalehrerinnen finde ich, denen ich gerne zuhöre“…traditionell betrachtet gibt es eigentlich fast nur Yogalehrer, ausser im Westen, da sind es primär Frauen….und zuhören und physisch üben ist nun mal nicht zwingend dieselbe Ebene. Ansonsten wär ja eher Bieryoga angesagt, Zuhören eben. Dein Bier und mein Bier ist zwar nicht gerade ein Paradedialog wenn unter Stummfischen oder Möchtegernverrenkyogis mit ultralangem heissem Bad am Folgetag, aber sichtbare Parallelen sind wahrscheinlich wie das Essen auf dem dem Tisch, sie sind „mehr Du“, als das was Du glaubst, was Du wärst.
    Geld ist nicht unbedingt Stuhl oder Bank, Vision ist es mehr….oder einfach, … fürs Überleben ist immer gesorgt, wenn man das Richtige tut :-), wahrscheinlich, …ansonsten oder sowieso …. Karma.
    Lieber Gruss
    Christof

  2. Eva Ellendorff meint

    Liebe Milena! Ich danke Dir für diesen und den vorherigen Blog. Es tut so gut Deine Worte zu lesen!
    Ich kämpfe seit Tagen mit einer Geschichte, die nicht meine Geschichte werden will und bin beruhigt, weil ich nun (wieder) weiß, dass nicht nur ich kämpfen muss.
    Dir wünsche ich ein paar ruhigere Tage, mögen die Figuren Dich in Ruhe lassen und zwischen irgendwelchen Buchdeckeln warten.
    Herzlichste Grüße, Eva

    • Milena Moser meint

      @ Eva – nein, sie lassen mich nicht in Ruhe… zum Glück? Denn wenn sie das tun würden, gäbe es am Ende keine Geschichte, oder nicht? Wir werden sehen!

    • Eva Ellendorff meint

      Liebe Milena,
      Du hast natürlich Recht – so ganz verlassen sie uns nicht; ich bin noch nicht so weit wie Du…noch so am Anfang von … von was? Aber sie sitzen auch bei mir überall…mal sehen wie ich sie gebändigt bekomme…
      Grüße aus Köln
      Eva

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