Angaben zum Buch

  • Erscheinungsdatum: 23. Oktober, 2023
  • Verlag: Kein & Aber
  • Sprachen: Deutsch
  • Lieferbar als: Gebunden, Ebook
  • Format: 11.6 x 18.5 cm , 384 Pages
  • ISBN: 978-3-0369-5009-9

Der Traum vom Fliegen

Als Sofia von ihren Vätern wegen ihres Übergewichts in die Privatklinik Los Pajaritos an der Westküste der Vereinigten Staaten gebracht wird, denkt sie nicht daran, dünner zu werden, schließlich hat sie nicht ohne Grund so viel zugenommen. Sofia will um jeden Preis verhindern, ihre Bodenhaftung zu verlieren, und ihr Übergewicht gibt ihr Halt.  

Doch sie hat nicht mit den neuen Bekanntschaften in der Klinik gerechnet. Ihre anhängliche Zimmergenossin Emerald, der mysteriöse, zarte Blue, die ständig unzufriedene Carmel und nicht zuletzt der dominante Zach, bei dem sich alles nur um ihn selbst dreht, mischen Sofias zurückgezogenes Leben ordentlich auf. Und schließlich muss sie erkennen, dass uns manchmal gerade die Menschen am besten verstehen, die uns zunächst fremd erscheinen. 

Ein Roman über das Gefühl, ausgeschlossen und nicht »normal« zu sein, über vermeintliche Schwächen, die eigentlich unsere potenziellen Stärken sind und über die Kraft der Freundschaft.


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Leseprobe

Als Kind hatte sie geglaubt, sie würde das Fliegen ganz automatisch lernen, wie sie das Gehen gelernt hatte. Sofia war sehr behütet aufgewachsen. »Wir haben zu lange auf dich gewartet«, sagten ihre Papas immer. »Wir mussten zu lange darum kämpfen, eine Familie sein zu dürfen.« Bis zu ihrem Schuleintritt war das ganze Haus mit Treppengittern und Türsicherungen versehen, und noch vor wenigen Jahren hatte ein Metallgitter vor ihrem Fenster sie vor dem Herausfallen bewahrt. Trotzdem hatte sie alles versucht, unermüdlich war sie von jedem Mäuerchen, von jeder Treppenstufe gesprungen, mit wild rudernden, ausgebreiteten Armen. Unzählige Male war sie gegen das Schutznetz geknallt, das ihr Trampolin im Garten umgab. Etwas in ihr meinte zu wissen, wie es sich anfühlte, Flügel zu haben und diese zu bewegen. Sie war sich ganz sicher, dass die Fähigkeit zu fliegen irgendwo in ihr angelegt war.

Und dann hatte sie es einfach getan. Ohne darüber nachzudenken. Ihre Schulterblätter zogen sich zusammen. Sie breitete die Arme aus, bewegte sie erst vorsichtig, prüfend, dann immer bestimmter auf und ab, auf und ab. Sie blickte über den Park auf die Bucht hinunter, auf die Lichter des Frachthafens und der Brücke. Und sprang. 

Einen furchterregenden Moment lang sackte sie ab. Ihr Zimmer lag im zweiten Stock, aber da ihr Haus in einen steilen Hügel hinein gebaut war, waren es eher drei oder vier Stockwerke bis zur Straße hinunter. Vermutlich würde sie den Aufprall überleben, aber nicht ohne gebrochene Knochen. Eiskalte Angst erfüllte sie, der Augenblick dehnte sich, dann trugen sie ihre Arme. Oder eher, die Luft unter ihr trug sie. Wie eine Hand unter ihrem Bauch. Wie Papa Giò, als er ihr das Schwimmen beigebracht hatte. Instinktiv ließ Sofia sich nach vorn kippen, bis sie liegend über ihrer Straße schwebte. Sie stieg höher und höher, sie flog über den kahlen Hügel des Parks und in den dunklen Nachthimmel. Zu den Sternen, dachte sie.

Ein nie gekanntes Glücksgefühl breitete sich in ihr aus, bewegte ihre Arme, trieb sie hinauf. Sie juchzte laut.

Bis heute hatte sie dieses Gefühl nicht vergessen. Trotz allem, was es nach sich gezogen hatte. Trotz allem, was seither passiert war.