How did I do it?

Warum mir das jetzt einfällt? Weil jemand gefragt hat. „Wie haben Sie das damals geschafft?“ Ja, wie? Es ist über zwanzig Jahre her. Mein jüngerer Sohn war erst wenige Monate alt, der ältere hatte gerade die Schule begonnen. Mein damaliger Mann war unterwegs, ich war allein, ich hatte kein Auto. Der Winter wollte kein Ende nehmen, obwohl der Kalender längst behauptete, es sei Frühling. Ich hatte seit gefühlten sieben Jahren nicht geschlafen, geschweige denn mir die Haare gewaschen. Am späteren Nachmittag sass ich zwischen Kinderwagen und Einkaufstüten an der Bushaltestelle und wartete auf mein Schulkind. Mehr beiläufig blätterte ich in meiner Agenda. Und da stand es: 20 Uhr Lesung in Dingsda. Ich hatte knapp zwei Stunden Zeit, um einen Babysitter zu organisieren, das Abendessen vorzubereiten und mich halbwegs präsentabel herzurichten bevor der Zug nach Dingsda fuhr.

Die Lesung war schön, es tat mir gut, einen Abend lang jemand anderes zu sein als eine überforderte Mutter. Erst während der Fragerunde fühlte ich meine Erschöpfung wieder. Wie oft würde ich die Frage, wer sich denn nun um meine Kinder kümmerte, noch beantworten müssen? Ich verbiss mir trotzige Antworten wie „Kinder? Oh Gott, habe ich Kinder?“, ich blieb freundlich und ruhig. Dann fragte ein Mann in der ersten Reihe, mit deutlichem Seitenblick auf seine Frau, ob ich etwas zu dem Thema Doppelbelastung sagen könne: „Ist das nicht ein Scheinproblem? Sie beweisen hier ja gerade, dass es möglich ist, Sie haben ganz offensichtlich alles bestens im Griff!“

„Ich?“

Einen Moment lang sah ich mich von aussen. Ich schrieb Bücher, ich war erfolgreich, frisch verheiratet und gerade wieder Mutter geworden. Und ich gebe zu, einen Moment lang mochte ich dieses Bild. Es war verführerisch. Und definitiv attraktiver als die Wahrheit: Dass ich nämlich vor drei Stunden noch weinend unter meinem Bett gelegen hatte und nie mehr hervorkommen wollte.

Wie hatte ich den Auftritt in Dingsda vergessen können? Ich war unfähig! Ich war eine Hochstaplerin! Ich würde nie etwas auf die Reihe kriegen!

Mein Bett hatte genau die richtige Höhe. Wenn ich darunter lag, berührte der Lattenrost meinen Körper und mein Gesicht gerade so. Nicht niedrig genug, um Platzangst zu bekommen aber gerade so, dass ich mich sicher fühlte.

Ich lächelte. „Sie täuschen sich gewaltig: Ich habe gar nichts im Griff. Wie könnte ich auch? Es ist zu viel, zu viel für eine Person.“ Und ich erzählte, wie ich die letzten Stunden verbracht hatte. Erleichtertes Gelächter im Publikum. Aber ich sagte auch: „Ich will trotzdem beides, alles. Und ich will nicht, dass es so schwer sein muss!“

Und das will ich immer noch.

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12 Kommentare

Kommentare

  1. Regula Horlacher meint

    Als meine Tochter fünf Jahre alt war, wurde bei ihr eine Nahrungsmittel-Allergie festgestellt. Ich ging mit ihr wegen eines sich ständig weiter ausbreitenden, nässenden Ekzems am Mundwinkel zur Kinderärztin, die mich fragte, ob ich beim Kochen viel Paprika verwendete. Sie vermutete eine allergische Reaktion. Ich erschrak – ich konnte mir nicht vorstellen, ohne Paprika zu kochen!

    Mir scheint diese Erfahrung allgemein beispielhaft und für mein Leben symptomatisch: Ich erschrak über etwas, mit dem ich konfrontiert wurde, und glaubte, schlimmer könne es nicht kommen, nur um umgehend zu merken, dass das, was mich erschreckt hatte, erst der Auftakt gewesen war …

    Meine Tochter bekam von der Kinderärztin eine Salbe verschrieben, mit der sich das Ekzem kurzfristig wegzaubern liess. Das erlaubte mir, vorsichtig zu provozieren. Im Ausschlussverfahren testete ich alle Nahrungsmittel, die ich in meiner Küche zu brauchen gewohnt war. Ich musste das Brot selberbacken, jede Suppe selber machen, jede Sauce. Ich kaufte eine Nudel- und eine Eismaschine. Ich fand heraus, dass Maja keinen Knoblauch vertrug, keine Haselnüsse, kein Muskat, keine Hülsenfrüchte usw. usw.
    Ich weiss nicht, wie und warum ich das geschafft habe. Wie und warum wir das geschafft haben. Vielleicht, weil ausgerechnet Paprika schliesslich doch keine Allergie auslöste …

  2. Hans Alfred Löffler meint

    Hilfe, ich möchte gerne das Buch BANANENFÈÜSSE das mir meine Schwester ausgeliehen hatte. Aber ich hatte das Buch jemandem zum Lesen gegeben und diese Frau gab es auch weiter. Kann mir helfen jemand mit oder ohne Bananenfüsse?
    Dafür hier eine neue und erfreuliche Nachricht, ein anderes Buch nämlich MEIN VATER UND ANDERE BETRÜGER fand ich KINDLE Edition und kaufte und las es zugleich, ich so tolles Buch ist das. ZZt. lese ich aber auch STOLZ & GERECHTIGKEIT was auch interessant ist aber wie gesagt: Das zum Vater ist besser.

    • Milena Moser meint

      Danke – der Vater ist eines meiner Lieblingsbücher. Lustig, damals – vor Harry Potter – fürchtete mein damaliger Verleger, es könne als Jugendbuch verstanden werden, und man wisse ja, dass die Jugend nicht lese… Ein Jahr später, nach Harry Potter: „Kannst du nicht mal ein Jugendbuch schreiben?“

  3. Carmen Keßler meint

    Wie manche die Realität wegzuleugnen versuchen, ist ein Phänomen für sich. Einige meiner Freund*innen neigen auch dazu, überrascht zu reagieren, wenn ich offen dazu stehe, überfordert mit dem ganzen Mutterding zu sein und das mit dem ganzen Rest unter einen Hut zu bringen. Diejenigen wirken dann immer krampfhaft bemüht, mich mit gutgemeinten Kommentaren, wie gut doch alles von außen betrachtet laufe und wie toll wir das hinbekämen, „aufbauen“ zu wollen, weil es ihnen anscheinend schwerfällt, die Dinge zu betrachten, wie sie wirklich sind.
    Danke für diesen ermunternden Beitrag.

  4. Karin Braun meint

    Die Frage, wer kümmert sich um die Kinder, steht bei mir auf einer Stufe mit der: Kann man denn davon leben?
    Ahhrg. Es ist schon merkwürdig, wenn es etwas wichtig ist, wird es gemacht, allerdings hat es einen Preis. Alles Liebe Karin

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