Ihr erinnert euch: Der Abgabetermin, der in weiter Ferne lag, war plötzlich da. Ich hatte keine Zeile geschrieben. Und auch keine Idee für eine Geschichte. Noch war ich nicht beunruhigt. Das passiert nämlich ziemlich oft. Vor allem, seit ich wieder eine wöchentliche Kolumne schreibe. Ungefähr jede zweite Woche beginne ich meinen ersten Entwurf mit mir fällt nichts ein mir fällt nichts ein mir fällt nichts ein mein Kopf ist leer mir fällt nichts ein….
Mir fällt nichts ein ist ein Mantra, es ist ein Gebet, es ist ein Anfang. Es ist Schreiben.
Und es funktioniert immer, denn der menschliche Geist ist schlicht nicht dafür eingerichtet, sich selbst zu Tode zu öden. Also spuckt er etwas aus. Einen Gedanken, ein Bild, einen Satz, den ich irgendwo aufgeschnappt habe, einen Erinnerungsfetzen. Etwas, von dem ich nicht wusste, dass es da ist. Etwas, von dem ich nicht wusste, dass es erzählt werden will.
Doch diesmal war es anders. Ich hatte mich noch gar nicht hingesetzt, als eine Freundin aus der Schweiz anrief. Ich lud meinen Ärger über die Behörden bei ihr ab. Konkret, dass ich keinen neuen Pass auf meinen schönen, neuen, verheirateten Namen Moser Zaballa ausgestellt bekomme, weil mein Schweizer Heimatort Victor nicht als meinen rechtmässigen Ehepartner anerkennt, bevor er nicht eine brandneue Kopie seiner Geburtsurkunde vorlegen kann. Und bei den mexikanischen Behörden ist seit Beginn der Pandemie kein Durchkommen. «Was ist das überhaupt für ein blödes System», schimpfte ich. «Mein Heimatort ist ja eh der Heimatort meines Exmannes, und vorher war es der meines Vaters. Eine Frau kann ja nicht mal einen eigenen Heimatort haben!»
Meine Freundin lachte. «Beruhig dich mal. Natürlich kann sie das. Und ausserdem ist es ein super System!» Ihr Heimatort sei nämlich die Stadt Zürich, deren Pfrundhaus besonders schön liege. «Wenn ich also mal armengenössig werde, bin ich da gut aufgehoben.»
Das erinnerte mich an ein Gespräch mit einem Mitarbeiter des Schweizer Konsulats, der dieses System auch gepriesen hatte: «Nirgendwo auf der Welt gibt es so etwas!» Der Schweizerin, dem Schweizer kann nämlich nichts passieren. Auch wenn alle denkbaren Stricke reissen sollten. Dann muss einen der Heimatort nämlich aufnehmen und versorgen. Und weil diese Stricke im Ausland nun mal häufiger reissen, ist es Aufgabe der Schweizer Konsulate, auf den Hund gekommenen Auswanderern und Aussteigern dieses einzigartige Angebot schmackhaft zu machen.
«Vielleicht sollte ich in dem Fall auch versuchen, meinen Heimatort nach Zürich zu verlegen. Dann können wir zusammen armengenössig werden …» Das würde auch Sinn machen: Wir hatten uns schliesslich im Kindergarten kennengelernt. «Wir hören auf, wie wir angefangen haben», sagte ich, schon wieder versöhnt.
Und da spürte ich es. Dieses elektrische Summen unter der Haut. Dieses Kribbeln. Ich hatte eine Idee!
Und einen Titel: «Wir hören auf, wie wir angefangen haben.»
Ich setzte mich hin und … Klar. Die nächste Hürde wartete schon.
Fortsetzung folgt.
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