Affentheater

Die Affen, die in meinem Kopf wohnen, sind nicht mit den drei weisen Affen zu verwechseln. Erstens sind es weit mehr als drei, und zweitens halten sie sich nicht den Mund zu. Eben nicht. Die Affen, die in meinem Kopf leben, geben einen laufenden Kommentar zu meinem Schreiben ab. Sie halten nicht viel davon. Früher dachte ich, eines Tages, wenn ich mich nur genug anstrenge, werde ich so gut schreiben, dass die Affen Ruhe geben. Vielleicht sogar mal ein Lob äussern. Diese Hoffnung habe ich aufgegeben. Die Affen, das habe ich gelernt, die gehören einfach dazu. Heute denke ich sogar, sollte ich eines Tages wirklich am Schreibtisch sitzen und mich sicher fühlen, dann wäre das der Tag, an dem ich aufhören müsste. Aber das passiert nicht.

Also. Ich schreibe, weil es meiner Natur entspricht. Das heisst nicht, dass es mir jeden Tag leicht fällt. Heute zum Beispiel. Ich sitze in einem Café und versuche eine Kolumne zu schreiben. Und das ist der Kommentar in meinem Kopf:

Na, fällt dir wieder mal nichts ein, was? Kein Wunder, bei dem langweiligen Leben, das du führst!

Wer sagte noch mal, es sei eine Schande, am Schreibtisch zu sitzen statt aufzustehen und zu leben? Thoreau?
Nein, Hemingway sagte, vom Schreiben bekommt man einen fetten Arsch.

Quatsch, das hat er nicht…

Hemingway hat sich erschossen.

Das ist jetzt nicht das Thema.
Und überhaupt, wen interessiert es? Meinst du nicht, die Leute haben langsam genug von dir?
Also uns langweilst du jedenfalls zu Tode.

Ohhhhhhhhhhhh schau mal, hier gibt es Internet!!!! INNNNNNNTERNEEEETTTTTTTTT!!!!

Pfoten weg! Warum befolgst du nicht mal zur Abwechslung deinen eigenen Rat?

Schreiben oder nicht, ohne Ablenkung, hm?

Das wär vielleicht auch mal eine Kolumne: den eigenen Rat befolgen.

Aber eben: wen interessiert’s.

Wie war das noch mit B. gestern: „Don’t choke on it.“

On what? Don’t choke on your words?

An den eigenen Worten ersticken. Den ungesagten.

Ungeschriebenen, meinst du wohl.

Den Blog musst du übrigens auch noch schreiben. In der Schweiz ist nicht mehr lange Sonntag.

Ach, wen interessiert der Blog! Kauf dir lieber das T-Shirt mit der Aufschrift „No one is reading your blog!“ –  der Laden ist hier ganz in der Nähe. Auch eins von Dave Eggers Projekten – das ist mal ein Schriftsteller! Weltberühmt und glücklich verheiratet, hat einen eigenen Verlag, gibt innovative Magazine heraus und vor allem: fördert die schreibwütige Jugend, die minderprivilegierte. Der hat weiss Gott wie viele gefährdete Jugendliche aufs College vorbereitet, die sonst nie eine Chance gehabt hätten.

Und was machst du? Hockst hier faul rum und lässt den Espresso kalt werden.

Also jetzt reiss dich mal zusammen. Kannst du das überhaupt?

Ohhhhhhhh!!!! Schau mal, da draussen eine Hochzeit – ist das eine Hochzeit? Mitten auf der Strasse?

SITZENBLEIBEN!!!!!

Jetzt hock dich verdammt noch mal hin!

Also. Was wolltest du schreiben. Achja: Rhetorik. Ist nicht das wichtige Wort dafür.

Kleine Kinder kleine Telefone OIhrstöpüse eone Entschuldugign ein Vorwand lautstark seine Meinung zu verkündn die niemand hören will was ist eine Meinung die nieman d höertistkeine Meinung mit Rhetzorik hat das nichts zu tun

Oh Mann! Zum Glück schaut dir niemand zu. Du bist eine Lachnummer, weißt du das?
Ja, das weißt du. Gell.

Du könntest jetzt auch einfach aushören, weißt du. Du könntest aufstehen und weggehen, den Computer auf dem Cafétisch liegenlassen, nie zurückschauen. Nie mehr eine Tastatur anrühren – hat sich das nicht mal ein Kritiker gewünscht? Na los, erfüll ihm den Wunsch.

Hey! Hallo? Hörst du uns überhaupt noch zu? Hörst du……..

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Leser-Interaktionen

11 Kommentare

Kommentare

  1. Nadine Hudson meint

    Liebe Milena
    Mein Vater hat mich zu dir gebracht. Fein säuberlich schneidet er deine Kolumne aus dem SF und bringt sie mir in einem Klarsichtmäppli. „Sie erinnert mich an dich – oder umgekehrt“, meint er jedesmal dazu. Du schreibst wie sie (hmmm…. das ist natürlich sehr subjektiv und zeugt mehr vom Stolz des Vaters als von meinem Talent) und überhaupt seid ihr euch ähnlich. Ich nehme es als grosses Kompliment und geniesse die Lektüre. Ich mag deinen Humor, deine Art die Dinge anzuschauen. Danke.
    Nadine

  2. Hans Alfred Löffler meint

    Wir stammen von den Affen ab, wen wunderts, dass die Stimmen in unseren Köpfen so tönen. Dass Du liebe Milena so unaffektiert darüber berichten tust lässt mich das Fehlen in in der SF vergessen (fast). Und die tollen Kommentare dazu ermuntern mich auch mitzumachen. Danke vielmals für alles was Du schreibend von und aus Dir mit uns teiltest. Liebe Grüsse; Hans :-)

  3. Sofasophia meint

    liebe Milena

    ich kann mich den Vorkommentierenden nur anschliessen. Deinen Artikel habe ich vor ein paar Tagen schon auf dem Telefon gelesen, doch die Musse um zu kommentieren fehlte.
    Die Affen, sag ich da nur. Das Wort passt so genau, viel besser als „Zensorinnen“ wie ich sie bisher nannte. Ja, weiblich, weil es bei mir weibliche Motzerinnen sind. Also Affinnen sozusagen.

    Ich danke dir sehr, dass du diesen Artikel geschrieben hast. Weisch was ich dachte, als ich ihn das erste Mal gelesen hatte? „Was? Sogar Milena hat das? Eine so wunderbare Autorin! Dann bin ich ja doch normal!“ Nicht dass normal zu sein mein höchstes Ziel wäre, doch zweifle ich eben bisweilen schon an meiner Gesellschaftskompatibilität was eben Themen wie Selbstkritik betrifft. Aber wenn ich dich und die anderen Kommentatorinnen lese, erkenne ich: Wir sitzen echt im selben Boot.

    Darum einfach nur: Grosses Dankeschön für dieses Blog hier!

    herzliche Grüsse
    Sofasophia

  4. BurgerTrice meint

    AFFENTHEATER ! — Das ist die Schlüsselbeweis für den Ablauf der Tage, der LebensTage, SorgenTage, missglückten Tage, sogar die GlücksMomente entpuppen sich letztlich als AFFENTHEATER. —Und wenn man im Spital liegt ? Was ist das für ein AFFENTHEATER ? — Und im MilenaCafé, soeben auch in meinem PréféréCafé ? Der heisse Cappuccino kippt dem Herrn an meiner Seite auf den neuen, dunklen Anzug mit Krawatte ! — Und das Chaos in meiner Küche nach dem Kochen, den BüroChrimsChrams am schönen Plätzchen in meinem Zimmer, das unangetastete Klavier, wo ich mich den edlen Gedanken hingeben möchte ? — Das Handy klingelt, die Mails, die Wäsche im Keller, die quitschenden sechs Kinder in der Nachbarschaft, meine Haare sollten gewaschen werden, der Kühlschrank ist leer, die BergSünneler auf der Diavolezza, GrapefruitSaft soll eine heilende Wirkung haben, — und Himmel noch einmal schon wieder August, bald ist Weihnachten und wieder die Weihnachtskugeln im Schaufenster . — was ist das auch für ein AFFENTHEATER ………….. !

  5. Isabel meint

    Nicht einmal Postkarten habe ich geschrieben. Dabei hatte ich zwei Bücher zum Schreiben mit dabei. Wenn ich nicht dort hinein schreibe, so dachte ich wenigstens, könnte ich gerade auf die Postkarten schreiben, die kleinen Geschichten, die immer assieren, wenn man sich treiben lässt. Einfach irgendwo aussteigt und dort hingeht, wo das innere GPS seine Anweisung gibt. Schuhe? Völlig egal. Zehenlatschen, neue Turnschuhe (zwecks töchterlicher Entwendung der alten) oder Stöckelmodell für den Ausgang – mit der inneren Fernbedienung und dem inneren Speicher werde ich zum Jäger und Sammler. Eintauchen in Asisis Panoramawelt im Pergamon-Museum, die einen Kindertraum ermöglicht – Steine lebendig werden lassen und sich mit der antiken Menschenwelt treiben lassen. Dann durch die lebendig aufgebauten Steintempel, die Götterreste und prunkvollen Tempelfassaden, jenseits der Horizonte, treiben lassen, bis kein Platz auf dem Antik-Speicher mehr übrig ist, und das Museum mich in die Hitze ausspuckt. Ich wollte doch Berlin. Fast dreissig Jahre bin ich nicht mehr hier gewesen. Berlin, das ist: Das Quartier, in dem ich als Kind lebte. Die Freundin, die ich bis Ende der Studentenzeit immer hier besuchte, mal als Single, mal zu zweit, mal sie in irgendeiner merkwürdigen Paarbeziehung, mal ich. Berlin im Quartier, das ist Dorf. Ein Dorf, in dem alles möglich ist. Berlin, die alte, rauchende. Der Hundekot. Das war. Jetzt, nach der Wende, hat sich die Karte verändert. Der Kudamm ist wie eine Frau, die in die Jahre gekommen ist, und sich, damit sie immer noch glänzt, ein dickes Collier um den Hals hängt. Das Leben pulsiert woanders. Der Fluss windet sich wie eine Schlange durch die Stadt, die zu husten aufgehört hat und neuerdings stolz ihre Federn spreizt, ungehindert, ungebremst, ein wenig stolz, weil sie immer Neues auf Lager hat. Was ist dort, hinter dieser Ecke? Tore, Durchgänge, freie Plätze. Monopoly, Siedler? Die Stadt spielt mit ihren Möglichkeiten, arm und kokett. Launisch gibt sie sich, wie das Wetter. Ein Sturm aus heiterem Himmel, und das Publikum, zum Varieté versammelt, stürzt in die Villa, angeführt von einer hüpfenden Pseudodame mit gepolstertem Hintern und überspreizter Tuntenhaftigkeit, die die Aufregung über die ungewollte Wende verdecken soll. Dann wandelt das ganze Völkchen, samt Sitzpolster zurück – die Sonne zeigt sich. Sobald alle auf ihren Stühlen sitzen, prasselt der Regen los, Wolkenbruch, die grossen Schirme werden aufgebreitet, Regencapes, durchsichtig wie Ganzkörperpräservative, gesponsert, knistern verheissungsvoll – wie wird wohl diese Hürde genommen? The Show must go on, der Lärm des Regengeprassels wird übertönt durch das Clowneske; Federfahrrad, die Federn hängen, der entblösste knackige Hintern soll ablenken, ablenken davon, dass die Nerven eigentlich blank liegen. Das Wetter beruhigt sich, als hätte nie etwas Aussergewöhnliches statt gefunden, die Menschen sind sich näher gekommen – das ist in Berlin nicht schwer, ein Gespräch beginnt sehr leicht hier, und die Fremden passen sich an, Ferienstimmung…
    Berlin, hinter der Fassade – das sind grüne Höfe, in denen Kinder spielen. Das sind U- und S-Bahnen, die chronisch überfüllt sind. Das sind Gärten, die in dem Zusammendorf eine überraschend grüne Lunge bilden. Das sind Freier mit verschleiertem und hungrigem Blick, die mit reichen Männern gehen, Alkoholabhängigkeit, die eine Liebe zum Erliegen bringt, doch die Freundin nimmt sich eine Auszeit davon. Die Paarbeziehung ist das eine, Berlin und seine liebevollen Attitüden, seine freche Schnauze, seine Netze und Verbindungen auch ausserhalb der Stadt das Andere. Ich checke aus, mit vollen Speichern – der Koffer geht nur bei sorgsamer Schichtung zu (Theaterfundus! Ein Hort der Verführung. Bücherflohmarkt! Diese Bücher gibt es sicher nicht anderswo…Geschenke! Nehme ich jetzt mehr mit, als ich gebracht habe??? Klamotten: Nur das eine Kleid, aber das… ). Aber: Ich komme wieder…liebe alle, endlich mal wieder ein Gruss von mir, eine post-Karte mit einem wundervollen, lachendem, flauschig kuscheligen und ganz und gar sentimentalem Bären!

    • Regula Haus-Horlacher meint

      Oh, Isabel – was für ein wunderbarer Beitrag!
      Ich liebe Berlin. Irgendwann werde ich dort ein Jahr verbringen und den Rahel-Roman fertigschreiben. Mit oder ohne Stipendium.
      Liebe Grüsse
      Regula

  6. Csilla meint

    Oh, liebe Milena, eigentlich hab ich gar keine Zeit, um hier zu antworten, aber diesmal halte ich es nicht ungeschrieben aus: danke, danke, danke, für diesen Blogeintrag!! Ich hab keine Zeit, weil ich ein Kleinkind und ein Baby habe und meine „Karriere“ rückwärts mache. Ich bin Vollzeitmama mit Uniabschluss. „Richtig“ gearbeitet hab ich auch, aber das mit Kind und Karriere hab ich nicht hingekriegt. Wenn du wüsstest, wie das hier kommentiert wird…Affen, Affen, Affen…mir geht es aber gut, obwohl ich „nur“ faule Mutter bin und den ganzen Tag eben „nichts“ mache, ausser… du kennst das selber, oder? Na ja, schreiben tu ich und malen, ab und zu nachts aber auch nur kleine Dinge, die mich aber vor dem Durchdrehen retten. Seriously! Und übrigens, ich kann Sonntags deine Einträge hier kaum erwarten. Du bist Inspiration für so viele. So eigentlich wollte ich fragen, ob du auch genug zu essen bekommst, auf dem Foto wirkst du sehr zart…aber die Affen finden, das doofe Mami soll nicht wieder so blöde Fragen stellen…Smiles, Csilla

  7. Regula Haus-Horlacher meint

    Liebe Milena
    MICH!
    Mich interessiert dein Blog! Mehr noch: Er rettet mir mein Leben. Oder wenigstens mein Schriftstellerleben.
    Ich bin erschöpft. An meinem letzten Arbeitstag im Altersheim vor den Ferien unterliefen mir drei ziemlich gravierende Fehler. Keine besonders gute Voraussetzung für erholsame Ferien und schon gar nicht für einen gelassenen, vertrauensvollen Wiedereinstieg danach. Am vergangenen Sonntagmorgen erreichte meine Verzweiflung ihren Höhepunkt, und mir wurde bewusst: Wenn ich nicht sofort etwas unternehme, laufe ich unweigerlich in ein Burn out. Ich entschied mich, das Rahel-Projekt aus meinem momentanen Leben zu verbannen. Man soll das Machbare tun und die Träume Träume sein lassen. So hat man es mich gelehrt und so habe ich es bisher immer gehalten. So ist mein Leben. So ist jedes Leben.
    Anfang Juli sind am Lagginhorn bei Saas Grund fünf Bergsteiger verunglückt. Ein sechster, der auch zur ihnen gehörte, gab kurz vor dem Gipfel auf, weil ihm schlecht war. Von seinem Notbiwak aus musste er zuschauen, wie die Gruppe in den Tod stürzte. Darunter seine beiden Kinder, ein Mädchen und ein Junge. 14 und 19 Jahre alt.
    Was ist dagegen schon das Aufschieben eines Romanprojekts? Nichts.

    „Meinem Pferd kann ich alles erzählen“, habe ich einmal in einem Gedicht einer Schreibfreundin gelesen.
    Ich habe kein Pferd. Aber ich habe deinen Blog. Irgendwie und irgendwo passt da immer alles hinein, was ich jemandem erzählen muss. Und irgendwoher kommt manchmal sogar eine Antwort. Danke!

    Liebe Grüsse
    Regula

  8. Karin meint

    Diese Affen sind wirklich überall. Wahrscheinlich sind sie eine Schriftstellergeisel. Bei mir treten sie eher als griechischer Chor auf. Allerdings einer der nur in einem Unisono agiert, nämlich mir mitzuteilen, dass ich blöde bin und einfach tun soll, was sie entscheiden. Dummerweise entscheiden sie nie, weil sie sich permanent streiten. Alles Liebe Karin

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