Generalstreik.

woolworth-workers-go-on-strike-in-new-everettNach den technischen Pannen der letzten Woche büschelte ich am Sonntag Abend 170 Seiten für meinen Verleger zusammen, versprach ihm „den Rest“ in einer Woche („oder so“), drückte auf Senden und fuhr zu Freunden zum Essen. Ich erwähnte den Roman mit keinem Wort. Ich war ja noch nicht wirklich fertig. Die Arbeit würde ungebremst weitergehen. Der Druck war derselbe. Wir fanden auch so genügend Gründe, um nicht eine, sondern zwei Magnumflaschen Champagner zum Anstossen zu leeren. Auf der Heimfahrt war mir kalt, und in der Nacht wurde ich krank. Eine Woche lang lag ich flach. Aber so was von flach. Für Freiberufliche heisst das: Alle Systeme vollpumpen, the show must go on. Zum Glück gibt es gute Drogen! Aber irgendwann nützen die auch nichts mehr. Irgendwann gab ich auf. Zwei Tage lang klappte ich nicht einmal mehr den Laptop auf. Beantwortete keine Anfragen, keine mails. Ich kann vermelden: Es macht keinen Unterschied. Könnte man ruhig auch so einmal tun. Laptopfreie Tage. Unerreichbar sein, aber nicht krank!

Zwischendurch im Fieber phantasierte ich mir die Reaktionen meines Verlegers zusammen, der plötzlich mit sämtlichen bekannten Affenstimmen gleichzeitig sprach:

Moser, es tut mir leid, aber was immer du mir da geschickt hast, das ist kein unfertiger Roman, das ist gar kein Roman, das ist…. nichts!

Ehrlich, wen interessiert’s?

Wer soll das lesen?

Moser, du hast dich selber übertroffen! Ich habe gelacht, ich habe geweint…

Bist du sicher, dass du mir alles geschickt hast? Das macht irgendwie keinen Sinn…. jede zweite Seite fehlt – aber du hast doch bestimmt eine Sicherheitskopie??

Und so weiter. Nach all den Jahren, all den Büchern: Die Unsicherheit bleibt. Ich habe sie längst akzeptiert. Ein Geist, der durchlässig genug ist, um Geschichten einzufangen und aufzunehmen, um aus Nichts einen Faden zu spinnen, ein Netz zu knüpfen, ein solcher Geist ist nicht aus kugelsicherem Panzerglas. Ein solcher Geist muss schwanken im Wind. Oder im Fieber. Unterdessen halte ich diese Unsicherheit ziemlich gut aus. Ich muss aber sagen: Das Fieber half.

Als ich den Computer wieder aufklappen konnte, fand ich tatsächlich eine mail meines Verlegers. Der Betreff liess nichts Negatives, aber auch nichts Positives vermuten: RE: Hier!

Ungefähr eine Stunde lang brauchte ich, um den Spam um diese bestimmte mail herum an- und wegzuklicken, bevor ich mich überwinden konnte, sie zu öffnen. Er sei noch nicht dazu gekommen, etwas zu lesen, schrieb er. Aber bald „solle ja alles besser werden“.

Sein Wort in Gottes Ohr. Wenn SIE nicht auch flach liegt….

Im Briefkasten fand ich dafür einen Fünf Kilo schweren Laib Käse, als Dank für eine Radiogeschichte, in der genau dieser Käse zu einem seltsamen Versprecher führte. Im Begleitbrief erzählte ein Mann, wie er am Geburtstag seiner Frau die Sennerei mit Lindorkugeln ausgelegt habe. Und wie dann eben diese Geschichte im Radio kam.

Ich sehe das Bild, als sei ich dabei gewesen. Fünf Uhr Morgens, die Frau öffnet die Tür, tritt auf die erste Schokoladekugel, flucht, zündet das Licht an…

Für solche Bilder danke ich.

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Leser-Interaktionen

2 Kommentare

Kommentare

  1. Regula Horlacher meint

    Fünf Kilo! Das muss ja ein rechter Brocken sein. Und was machst du nun damit? Ich für mein Teil freue schon auf die Geschichte darüber … :-)
    Ich hoffe, du bist wieder wohlauf!
    Liebe Grüsse
    Regula

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